Trends im Einzelhandel ziehen mal schneller mal langsamer, ähnlich, wie ein Gewitter, vorbei.
Jedoch existieren auch solche, die dem rasanten technologischen Wandel und hieraus gänzlich neuen Erwartungshaltungen der Konsumenten geschuldet sind.
Diese Entwicklungen lassen den Begriff “Trends” unpassend erscheinen, da sie wachsende Herausforderungen aber auch starke Potenziale für die Zukunft des Einzelhandels mit sich bringen.
Mobile-First Philosophien der Unternehmen bewirken Rekorde im M-Commerce. Technische In-Store-Integrationen synchronisieren den digitalen Fußabdruck mit offline Kanälen und Nischen-Konzepte stellen große Verkaufsflächen in den Schatten.
Der Markt bleibt unfassbar spannend und dynamisch. Diese vier Trends sollten Einzelhändler aus dem Jahr 2017 unbedingt mitnehmen.
1. Der Kunde möchte Personalisierung, nein, er fordert sie
Bekannte Online-Riesen sind in punkto Personalisierung einen wesentlichen Schritt voraus.
Schaut der Kunde Filme auf Netflix, erstellt der Streaming-Dienst auf Basis des Verhaltens eindeutige Kundenprofile. Parallel schlägt die Plattform passende Angebote vor und ermittelt für jeden weiteren Film eine prozentuale Übereinstimmung mit den persönlichen Interessen des Nutzers.
Gleiches gilt für Google, Amazon und Facebook, die durch personalisierte Vorschläge die Zukunft des Shoppen entscheidend prägen. Sie ändern die Erwartungshaltungen der Konsumenten und zwingen besonders kleinere Einzelhändler zum Nachziehen.
Denn trotz großer Aufschreie aus der Ecke des Datenschutzes fordern Konsumenten genau diesen Service: Personalisierung. Und sie sind bereit, im Austausch auch persönliche Daten preiszugeben.
Privatsphäre oder Personalisierung
So ermittelte der Report State of the Connected Customer, dass 63% der Millennials und 58% der Generation X persönliche Informationen offen legen (würden), um dafür individuelle Angebote und Discounts zu erhalten.
Kunden möchten Personalisierung, zumindest bis zu einem bestimmten Grad. Denn individuelle Angebote entlang der gesamten Customer Journey sind ein wesentliche Treiber für die Loyalität des Konsumenten gegenüber einer Marke.
Auf der anderen Seite besitzen Einzelhändler die notwendigen Daten, scheitern jedoch häufig an ihrem gewinnbringenden Einsatz. Eine Herausforderung, die teils online, teils offline, besonders aber in der nahtlosen Verschmelzung beider Kanäle besteht.
Nimmt zum Beispiel eine junge Frau im Geschäft rosa Sneakers aus dem Regal, verfehlt die installierte Videowand ihre Wirkung, wenn weiterhin Werbung für Herrenstiefel abgespielt wird.
So hat sich die Frau bereits online über den Sneaker informiert, möchte im Geschäft fühlen und erleben und benötigt einen letzten (haptischen) Anreiz zum Kauf.
When a marketing experience can remove the footwork that’s usually required on the customer’s part, it doesn’t feel like marketing. It feels like an easy interaction with a company that “gets” them.
– Salesforce –
Auf der Videowand ließen sich beispielsweise mit Berührung des Sneakers detaillierte Informationen zu dem Schuh anzeigen, kombiniert mit einem In-Store Rabatt, der die Kaufentscheidung der Frau erleichtert.
Der Kunde fordert Personalisierung. Einzelhändler müssen dem Wunsch entgegen kommen, indem der digitale Fußabdruck mit dem gesamten Kaufprozess verschmilzt. Online wie offline.
2. Der stationäre Einzelhandel erfährt eine neue Bedeutung
Zahlreiche Statistiken über das starke Wachstum des E-Commerce haben eine relevante Größe in den Hintergrund rücken lassen: Rund 90% der gesamten Käufe im Einzelhandel werden immer noch stationär getätigt.
Denn das Sehen, Fühlen, Riechen sowie eine persönliche Beratung erfordern nach wie vor eine physische Adresse, um Konsumenten emotional zu begegnen.
Online & Offline
Zwar wächst der E-Commerce stärker, als es der stationäre Handel tut, jedoch sollten in der Diskussion beider Vertriebskanäle keine entweder-oder-Entscheidungen ausgearbeitet werden. Vielmehr sind neue Konzepte gefordert, um beide Kanäle gewinnbringend zusammenspielen zu lassen.
So informieren sich laut einer Studie des Instituts für Handelsforschung in Köln knapp 40% der Konsumenten online, schließen ihren Kauf jedoch im Geschäft ab. Lediglich rund 10% bereiten ihren Kauf offline vor, bestellen dann aber über den digitalen Warenkorb.
Die Zahlen zeigen: Der stationäre Einzelhandel wird nicht durch das Internet ersetzt. Vielmehr erfährt er einen Wandel, der die Customer Experience in den Vordergrund rücken lässt.
In diesem Rahmen setzen neue Store-Konzepte auf ästhetische Inszenierungen der Produkte, eine kompetente persönliche Beratung und technische Integrationen, welche die Lücke zwischen digital und stationär füllen.
Stores are becoming an interactive place where retailers can tout their wares and deliver an elevated customer experience.
– Accenture –
Der Showroom wird zum Markenerlebnis
Showrooms können somit in naher Zukunft für viele Einzelhändler von Interesse sein. Denn hier können Kunden in angenehmer Atmosphäre Produkte mit allen Sinnen erforschen und die Vorzüge persönlicher Beratung und interaktiver Technologien beanspruchen.
Gleichzeitig macht sich das Showroom-Konzept aus ökonomischer Sicht für Händler bezahlt, da diese nicht selbst verkaufen, sondern lediglich Bestellungen entgegen nehmen. Die Ware wird dann zum Kunden nach Hause geliefert. Als Konsequenz können erhebliche Kosten in der Logistik entfallen und unter anderem Lager- und Mietkosten eingespart werden.
Strategy& betont, dass das Showroom Konzept insbesondere für differenzierte Güter interessant sein wird. Lifestyle Marken, die sich stark von Wettbewerbern abheben möchten, können als solche betrachtet werden. Ebenfalls sind Produktneuheiten sowie erklärungsbedürftige Produkte geeignet, wie es Tesla mit seinen Showrooms für Elektroautos vormacht.
3. Kleine Nischen bergen großes Potenzial
Die Freiheit, Produkte im Internet zu jeder Uhrzeit ansehen und bestellen zu können, lässt Konsumenten dieselbe Erwartung an den stationären Handel stellen.
So ist der Konsument während des Shopping-Trips durch die Stadt nicht länger bereit, sich in den Gängen nicht endender Einkaufsflächen zu verirren. Der Weg zum gewünschten Produkt muss leicht, schnell und intuitiv erfolgen. Wie im Internet.
Eine kleine Verkaufsfläche sowie ein durchdachtes Store-Design werden den Erwartungen gerecht und begünstigen einen Trend, der in naher Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen wird: Die Nische
Evolving consumer preferences will push even more “big box” retailers to focus their attentions on smaller-format stores.
– Forbes –
So erwarten insbesondere Millennials sowie die Generation Z eine persönliche, kompetente Beratung, die ausschließlich kleine Geschäfte mit einem ausgewählten Produktsortiment bieten können.
Kleine Fläche, große Wirkung
Durch die Konzentration auf eine profitable Nische etablieren sich Marken einerseits durch eine höhere Exklusivität. Weiterhin lassen sich Kosten einsparen, die unter anderem in einer kleineren Fläche begründet sind, die für Nischen-Stores angemietet werden muss. Gleichzeitig erfordern solche Geschäftsmodelle Fachkräfte, die mit höheren Investitionen für die Gewinnung, Schulung und Bindung von Mitarbeitern an das Unternehmen einhergehen.
Ein exzellentes Beispiel stellt das Unternehmen LUSH dar.
So besetzt die Kosmetikmarke die Nische Fresh Handmade Cosmetics, begrüßt Kunden in überschaubaren, dekorativen Geschäften und überzeugt durch einen äußerst gut geschulten und freundlichen Personalauftritt.
4. M-Commerce beliebter denn je, sowohl im Traffic als auch in den Verkäufen
Schon längst ist der Begriff Omnichannel keine abstrakte Nice-to-Have-Strategie mehr, sondern für Marken zur gegenwärtigen Notwendigkeit geworden. Denn so können sie den wachsenden Ansprüchen der Konsumenten begegnen.
Konsumenten nutzen nicht nur unterschiedliche Kanäle auf ihrem Weg zum Kaufabschluss; sie nutzen diese auch noch zur gleichen Zeit.
So wird die Handcreme im Kosmetikgeschäft nicht nur physisch inspiziert, auch Preise, Informationen und Bewertungen werden gleichzeitig mobil zu Rate gezogen. Tagtäglich und in jeder Phase des Kaufentscheidungsprozesses:
Six in 10 internet users start shopping on one device but continue or finish on a different one, and 82% of smartphone users say they consult their phones on purchases they’re about to make in a store.”
– Google –
Doch ist es nicht länger nur die Inspiration und Informationssuche, die mobile Endgeräte zu einem essentiellen Teil des Omnichannels machen. Auch sorgen mobile-first orientierte Webseiten und E-Commerce-Apps für eine zunehmend positive Nutzererfahrung, die auch das Shoppen auf solchen Geräten zum Standard werden lässt.
Mobiles Surfen – jederzeit
So berichtet Nikki Baird von Retail Systems Research, dass sowohl der Traffic als auch die Käufe von mobilen Geräten in 2017 einen Rekord erfuhren. 90% der befragten Einzelhändler gaben hierbei an, dass mehr Traffic von den kleinen Bildschirmen als von Desktop-Geräten ausgeht.
Für Marken bedeutet die Entwicklung einerseits, eine einwandfreie Nutzererfahrung für den M-Commerce zu gewährleisten. Kaufprozesse sollten hierbei zunehmend einfacher werden, wie es die 1-Click-Bestellungen von Amazon zeigen.
Weiterhin ist es von grundlegender Bedeutung, dem Kunden in jeder Phase des Kaufprozesses die richtigen Informationen zum passenden Zeitpunkt bereitzustellen. Der Begriff User-Intention stellt die Ausgangslage einer solchen Omnichannel-Strategie dar.